Montag, 4. Dezember 2017

Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein


Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein. Wie, was, werden sich viele fragen: Ihr seid doch erfolgsverwöhnt! Nun ja, hierzu gibt es wohl wenig einzuwenden. In der Tat sind wir das: Jedes Jahr sind wir Topkandidat auf alle nationalen und internationalen Titel und treten mit einem beneidenswerten Kader an. Und gerade in den letzten Jahren hatte man als madridista sehr viel zu feiern: Zwei Mal die Champions League gewinnen – das hatte noch niemand vor dem König Europas geschafft!

Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein. Ach so, weil so viele euch aus unterschiedlichen Gründen hassen: Neid, wenn es Rivalen sind, moralische Ablehnung (Real Madrid als reicher und kapitalistischer Verein, „ich bin für David, nicht Goliath“), anti-Ronaldo Ressentiments („er ist so viel arroganter als Messi“) oder sogar politische/historische Gründe („Real Madrid war der Klub von Diktator Franco“, was, nebenbei gesagt, schlicht und einfach unwahr ist). Nein, ich beziehe mich auch nicht auf die Ablehnung oder den Hass anderer gegenüber unserem Verein: Denn dieser anti-madridismo macht uns trotzig stolz und schweisst den madridismo auf der ganzen Welt zusammen.

Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein. Sind es dann die Mode-Fans? Auch nicht. Die kommen und gehen, wie in einem Vergnügungspark: Fröhlich strömen sie mit ihrem nagelneuen und bedruckten Trikot in den Park (in diesem Fall der Klub), der sie fröhlich und mit klingenden Kassen empfängt, bis das nächste Gewitter aufzieht und sie sich verziehen, um mit einem anderen Trikot einem anderen Disneyland einen Besuch abzustatten. Das Traurigste bei den Mode-Fans ist dann eigentlich, was sie ihrem Nachwuchs vermitteln. Es überrascht heute gar nicht mehr so, ein Kind mit Real-Hose und Barça-Trikot auf dem Schulplatz anzutreffen. Wie sollen sie in dieser schnelllebigen und materialistischen Welt (und v.a. mit Mode-Fans Eltern) verstehen, dass Treue zu EINEM Klub ihnen so viel mehr Leidenschaft erleben lassen wird, als sich jedes Mal mit einem neuen Trikot, einem Hotdog und einer Cola in der Hand in ein neues von Etihad oder Katar gesponsertes Edelstadion auf den Plastiksitz zu setzen?

Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein. Der Klub sieht dich als Kunde, nicht mehr und nicht weniger. Scheissegal, können viele waschechte madridistas den mittlerweile horrenden Eintrittspreis nicht mehr bezahlen. Kommst Du nicht mehr, kommt ein anderer. Vorzugsweise ein Tourist, der im RM-Shop viel Geld liegen lässt. Stimmungstod? Macht nichts. Besser klingen die Kassen, dann bauen wir ein Luxushotel ins Stadion und kaufen die Besten ein. Wer braucht da noch den "12. Mann"? Und auswärts ist es nicht viel besser: Kommt Real Madrid zu Besuch, meinen alle Klubs, die Fans seien reich wie Florentino Pérez selbst und schrauben den Preis für ihren schlechtesten Sektor – den Auswärtsblock – in den dreistelligen Bereich.

Ist dies nicht die Situation eines jeden Fans im heutigen, modernen Fussball? Da ist was dran. Aber bei Real Madrid fehlt mittlerweile ein Ort für die Fans, die stehend mitfiebern und anfeuern wollen. Die Ultras Sur, die seit 1980 für Stimmung gesorgt hatten, wurden aus dem Stadion verbannt. Ihnen wurde zum Verhängnis, dass sie im ungünstigsten Moment einen internen (und gewalttätigen) Machtkampf austrugen, als eine neue Generation von Ultras ihr Kuchenstück (in jeder Kurve geht es auch um Geld und Macht) einforderte, aber vielleicht auch, dass sie eine recht geschlossene sowie politisch orientierte Gruppe sind, in die nicht jeder reinkommt. Die Konsequenz? Alle raus und ein neues Fanprojekt, „eine Kurve für jeden madridista der anfeuern will“. Doch das Projekt enttäuscht: Mehrere "Capos" von Ultras Sur sind weiterhin in der Kurve. Das Geschäft geht weiter. Die Qualität der Tifos hat nachgelassen: Da die Tifo-Künstler von Ultras Sur ihrer Gruppe treu geblieben sind, gibt es jetzt meist nur von Unternehmen bedruckte riesen-Fahnen, bei denen es an Herzblut und  häufig an Originalität mangelt. Aber noch viel wichtiger: Die neue Kurve (wo jeder übrigens zwingend in Weiss erscheinen muss, dafür aber nur 5 euro Eintritt bezahlt) tanzt nach der Pfeife der Klubführung. Dabei ist die Essenz einer Kurve, dass sie bedingungslos hinter dem Klub, jedoch nicht unbedingt hinter der Klubführung stehen muss. Dass sie, wenn letztere nicht im Interesse des Klubs handelt, Druck auf diese ausüben kann. Und so kann man nicht anders, als dieser neuen Kurve skeptisch zu begegnen. Die fehlende Authentizität kam vor dem Cup-Rückspiel gegen Underdog Fuenlabrada zum Vorschein, als die Weisung von Real Madrid an die Grada Fans publik wurde: „Wer das Cup-Rückspiel verpasst, kommt auch nicht ans Clásico.“ Eine solche Warnung herausgeben zu müssen, um die Kurve füllen zu können, ist wahrlich ein dickes Ei... Eine Kurve ist immer da, wer auch immer der Gegner ist! 

Und welche Wahl bleibt somit einem Real-Fan, der weder zu den verbannten und nur sporadisch in bedrohlichem Schwarz erscheinenden US, noch zu dieser „new madridismo“-Kurve gehören will/kann? Das Spiel halt sitzend von einem anderen Sektor aus mitverfolgen? Nicht mehr ins Bernabéu gehen? Nur noch an Auswärtsspiele reisen, wo die Mannschaft den Auswärtsblock – einem Flickenteppich aus Touristen mit überteuerten viagogo-Tickets, spanischen Erasmus-Studenten und Real-Fans mit sieben Fahnen um die Hüfte aber kaum einem RM-Gesang im Gedächtnis – nicht einmal grüsst?

Und doch... Auch wenn der Neid auf andere Klubs, mit tollen und geeinten Fankurven, einer richtigen Fan-Mentalität und einer engen Bande zwischen Anhang, Klubführung und Mannschaft, zuweilen gross ist: Welcher madridista würde schon Klub tauschen wollen?

Es ist nicht einfach, Real Madrid Fan zu sein. Aber es ist es das Beste auf der ganzen Welt.



Anmerkung: Es handelt sich bei den Artikeln auf diesem Blog um Meinungen. Sie wiederspiegeln nicht die Ansichten von berna madridista oder der Vereinsführung. Der Blog ist lediglich eine Plattform, für diverse Ansichten und Beiträge der Mitglieder. Jedes Mitglied des Fanklubs kann darauf Artikel veröffentlichen, sofern die grundlegenden Regeln des Respekts und der Qualität eingehalten werden.