Es ist
alles verloren. In einer Woche wurden alle unsere Alpträume wahr: Zuerst das erbärmliche
Ausscheiden vor eigenem Publikum und gegen den Erzfeind in der Copa del Rey. In
der Berner Sportbar war die Stimmung selten schlechter. Dann, wieder zuhause
und wieder gegen Barcelona, ein 0-1 welches die Chancen auf die Meisterschaft
auf ein Minimum reduzierten. Trotz der sportlichen Mängel blieb da noch ein
wenig Hoffnung auf unsere Königsdisziplin, die Chaaaampions. Nach dem
Hinspiel-Sieg, und angesichts der Dominanz auf dem Kontinent, glaubten wir
alle, dass mit einem sportlich mittelmässigen aber beherzten Auftritt der
Einzug in das Viertelfinale gelingen würde. Aber nein: Vor heimischem Anhang
das nächste Fiasko. Adiós Copa, ciao Liga, byebye Champions League.
Während der
Journalismus-Blätterwald unter den freudigen Flügelschlägen der vielen As-Geier
Reporter – die sich als objektiv geben, aber Real Madrid wegen seinem Glanz
regelrecht hassen – raschelte, verliessen unten durch die ersten Ratten das
Schiff. Einige davon waren bereits letzten Sommer mit C. Ronaldo nach Turin
gegangen. Aber viele zeigten sich erst jetzt. Endlich, umso besser.
Wenn das
Imperium strauchelt, dann freuen sich so manche. In der Goal-Bar spürten wir
viel Schadenfreude. Aber trotz all dem Gelächter war der Geruch nach
angestauter Galle nicht zu überriechen. Schlägst du auf dem Weg zur Arbeit die
20 Minuten auf, erkennst du, wie RMCF auch in der Schweiz viele Journalisten
glücklich gemacht hat. Bei der Arbeit, das Grinsen. „Louft bi Real, hä?“,
begrüsst dich der Kollege, der Mal Liverpool „cool“, mal PSG „geil“ und
natürlich immer Barça „sympatisch“ findet, aber nach zwei Live-Spielen im Stade
de Suisse bereits zuvorderst in der Meisterfeier Selfies schiesst. „Wieso habe
ich auch nur gesagt, dass ich madridista bin?“, fragst du dich da. Zu spät. Und
wenn dann noch der Vorgesetzte einen Klugscheisser-Kommentar von sich gibt,
fragst Du Dich ernsthaft, ob es sich nicht lohnen würde, ihm auf die Füsse zu
spucken, einen Schrank von der Wand zu reissen und zu gehen, anstatt eine
politisch korrekte „Mä cha nid immer gwinne“ Antwort zu murmeln.
Doch die
schlechte Laune lichtet sich, und 8 berna madridistas machen sich auf nach
Madrid, wo auch das Basket-Spiel gegen Fenerbahce gewonnen wird. Zusammen mit 5
madridistas aus Argentinien und 8 Jungs aus Madrid trifft man sich dann am
Sonntag 10. März vor dem Santiago Bernabéu. Hä? Ist doch Auswärtsspiel? Genau. Und
ist doch nichts mehr zu gewinnen? Gerade darum. Es ist Mittag, es ist sonnig,
aber ziemlich menschenleer. Den meisten ist noch die Müdigkeit anzumerken – am Vortag
gab’s ein gemeinsames Nachtessen im madridista Restaurant „Viejo Chamartín“ und
dann das übliche Programm. Trotzdem wandert eine namhafte Anzahl Bierdosen in
den gebuchten Kleinbus. Es wartet eine 3-stündige Fahrt: Ab nach Valladolid.
Valladolid?
Das war einmal die Hauptstadt des Königreich Kastiliens, und während 6 Jahren
sogar ganz Spanien. An diesem Sonntag gleicht sie eher einem Provinznest, das
kalt auf einer Hochebene thront. Zwei wenige Meter von einander entfernte Tabernen
werden in Beschlag genommen und ihr Tagesumsatz gleich vervielfacht. Dann geht
es singend und Sticker klebend zur Ticketabholung und dann zum Stadion José
Zorrilla. Nach Diskussionen mit den stets äusserst unhöflichen spanischen
Polizisten müssen wir unser Lager im oberen Teil des Auswärtssektors
aufschlagen. Zuvor wird jedoch beim Eintritt der Mannschaften ein Spruchband
entrollt: „Más Reguilón“. Mehr Eier, mehr Leidenschaft, mehr Klubliebe
verlangen wir.
Finde Berna :D |
Dann
beginnen 90 Minuten ununterbrochenes Singen. Auf die Wand schlagend, zuletzt
fast nur noch krächzend. Obwohl das kalte Stadion im Volksmund „die
Lungenentzündung“ heisst, sind alle bald ohne T-Shirt. Der Real-Sektor macht
(schüchtern) mit, viele Valladolid-Fans (denen wir einen Verbleib in der
Primera División wünschen) schauen uns fassungslos an. Ihr aus Bern? Hier?
Jetzt?? Ja, Freunde, jetzt, genau jetzt ist der Moment dafür.
Als beim Schlusspfiff
die Spieler grüssen kommen, singen wir stoisch weiter über unsere Liebe zum
Klub. Die Spieler sollten längst verstehen: Wir sind nicht ihretwegen gekommen,
und das Resultat ist uns scheissegal. Wir sind hier, für das, was sie auf der
linken Brust tragen.
VOLVEREMOS.
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