Mittwoch, 11. Dezember 2013

Was ist los im Fondo Sur?



Die Südkurve im Bernabéu hat in den letzten Jahrzehnten verschiedene Etappen durchlebt, seit die Gruppe Ultras Sur im Jahr 1981 darin ihren Platz fand. Bis 1998 war die Gruppierung wie die gesamte Ultra-Bewegung dieser Zeit von gewalttätigen Ausschreitungen geprägt. Der Wendepunkt kam aber 1998 beim Europa-Pokal Spiel gegen Borussia Dortmund, als das Tor bei der Südkurve dem Gewicht der Fans auf den Zäunen nicht stand hielt. Als Konsequenz wurde Ultras Sur vom Klub an die kurze Leine genommen. Zuerst in die oberen Tribünen verbannt, später wieder hinters Tor gelassen aber streng kontrolliert.  Die politischen Symbole verschwanden von den Rängen und gewalttätige Vorkommnisse bekamen Seltenheitswert. Dafür wurde der Klub kooperativ. Es gab Hilfe bei der Organisation von Reisen und der Vorbereitung der berühmten Tifos. RMCF, sich der Wichtigkeit der Gruppe für die Stimmung im Stadion bewusst, gab Ultras Sur auch ein Kontingent an Tickets. Das alles im Gegenzug für die Verpflichtung der capos der Gruppierung, Ordnung zu halten. So entstand ein Vertrauensverhältnis zwischen RMCF und seinen treusten Fans.

Dies ist der Zustand bis im Jahre 2013. Mit 842 registrierten Ultras Sur, die die einzige Support-Quelle im ganzen verdammten Bernabéu darstellten. Ein Bernabéu, das seine Seele verlor, als sämtliche Stehplätze in den 90ern durch teure Sitzplätze ersetzt wurden. Nach 32 Jahren der Existenz von US hatte sich die Gruppe, auch bedingt durch die rigoroso Kontrolle durch den Klub, verändert: Es waren mittlerweile drei Generationen, die die Ränge teilten. Politik gab es kaum mehr und viele kamen einzig und allein aus einem Grund ins Stadion: RMCF anfeuern. Dazu war jeder Aufwand gerechtfertigt, und so wurde die Fussballwelt immer wieder Zeugin von höchst spektakulären und originellen Tifos.

Doch die Realität im Innern von Ultras Sur war weit komplexer als von aussen gesehen. Nach und nach kristallisierten sich zwei Parteien heraus, deren Antagonismus von Jahr zu Jahr grösser wurde. Auf der einen Seite, die „Klassischen“, vereint hinter dem Leader Alvaro Cadenas, dem Nachfolger des legendären Mitbegründers der Gruppe, José Luis Ochaíta. Diese Gruppe hatte viele Stadien gesehen und hatte ein etwas höheres Durchschnittsalter. Cadenas war die Ansprechperson des Klubs und hielt Ordnung bei US. Auf der anderen Seite, die jüngeren, die „Welpen“, angeführt von Persönlichkeiten wie „el Cani“ oder „el Niño“. Der Justiz häufig bekannt, wollen sie eine radikalere Umsetzung der Ultras-Mentalität, ohne Rücksicht auf Repressalien des Klubs. Bezeichnenderweise ist „El Niño“ ein ex-Mitglied von Frente Atlético, der Ultras des verhassten Nachbars At. Madrid. Ausserhalb dieser zwei Fraktionen findet sich dann noch eine Gruppe von „Neutralen“, die sich einzig und allein für den Fussball bzw. für Real Madrid interessieren.

Ohne US läuft momentan nichts im Stadion. 
Die „Welpen“ begründen ihren Aufstand gegen die Cadenas-Fraktion mit dem Vorwurf, diese bereichere sich auf Kosten der Gruppe durch eine mafiöse und korrupte Handhabung der finanziellen Mittel von US, die durch die organisierten Reisen sowie durch die Einnahmen des Bars "Drakkar" hereinkommen. Die Spannungen zwischen den beiden Parteien erreichte schliesslich am 9. November beim Spiel gegen Real Sociedad ihren Höhepunkt. Während die „Neutralen“ ins Stadion gingen, hatten die beiden anderen Fraktionen eine gewaltsame Auseinandersetzung in der Calle Marceliano Santa María, die mit mehreren Verletzten endete. Die Einigkeit von US war zerbrochen, der Klub handelte sofort: Wer nicht der Inhaber seiner Saisonkarte ist, kann nicht mehr in den Fondo Sur. Dies betrifft insbesondere die jüngere Fraktion, die häufig eine Saisonkarte geliehen erhielt, aber auch viele Unbeteiligte. Das ist der Grund für die grossen Lücken im Fondo Sur bei den letzten Heimspielen.

Die Vorkommnisse wurden von den Medien breitflächig abgedeckt, angeführt vom äusserst ungeschickten Artikel von Manuel Jabois „Der Countdown von Ultras Sur“. Jabois’ Artikel ist ein Beispiel von faulem Journalismus, voller Halb- und Unwahrheiten, Sensationsgeilheit und Gerüchten. Der Journalist bezeichnet US als „die gewalttätigste Gruppe Spaniens“, ignorierend, dass es seit sehr langem keine grossen gewalttätigen Ausschreitungen gegeben hat und dass US keine Todesfälle verantwortet wie Frente Atlético (Aitor Zabaleta, 1998) oder Boixos Nois (Frederic Rouquier, 1991). Jabois vergisst offenbar auch die spektakuäre Schlacht zwischen Anhängern von Athletic Bilbao und Anderlecht vor drei Jahren (2010), als in der stets so gerühmten „Kathedrale des spanischen Fussballs“ Fäuste flogen und Blut floss. Was übrigens auch gegen PSG (2011), Deportivo (2012) und Zaragoza (2013) geschah. Der Galizier ignoriert auch die Existenz von pro – ETA Gruppierungen im Fussball von Pamplona und San Sebastián. Oder die „Eskapaden“ der ultralinken Bukaneros (Rayo Vallecano), die jüngst beim bewaffneten und politisch motivierten Überfall auf die Universität Complutense in Madrid dabei waren. Stattdessen bezeichnet der Journalist Ultras Sur als „zwei Neo-Nazi Gruppen, die mit ihren Verbrechen angeben“. Alle Sektionen von US seien rechtsextrem, so Jabois, die meisten würden Hitler verehren und den Holocaust leugnen. Anstatt also (dies sollte ja die Essenz des Journalismus sein) differenziert die komplexe Realität einer Gruppierung mit fast tausend Personen unterschiedlichen Alters zu analysieren, wirft Jabois, wie so viele Medien, alle in den gleichen Topf: „Alles Nazis, alle extrem gewalttätig“. Und damit schürt er das Feuer der schwarzen Legende Madrids. Würde er stattdessen Mal die Südkurve aus näherer Distanz betrachten, dann würde er Grossväter mit ihren Enkeln und Familienväter mit ihren Kindern sehen, die einzig und allein das tun wollen, was 90% der restlichen madridistas nicht tun: RMCF anfeuern.

Wie steht es nun um die Zukunft des Fondo Surs? Wird Bernabéu tatsächlich zu einem echten Theater? Glücklicherweise arbeitet schon seit längerem eine Gruppe von madridistas (US und nicht-US) für eine Verbesserung der Stimmung mittels, unter Anderem, einer Vergrösserung der Kurve. Leider war dies aber für Florentino Pérez nie eine Priorität. Schlechte Stimmung? Die Real-Fans sind halt mehr der Typ Fussball-Liebhaber (wobei mit der Preispolitik v.A. Krawattenträger und Champagner-Schlürfer angezogen wurden). Mit dem Bürgerkrieg bei US ist dieses Thema jedoch zu einem Notfall geworden: Ohne US läuft gar nichts. Das Glück für Pérez: Mit der Winterpause hat er 5 Wochen Zeit, um eine Lösung zu finden.

Und so zeichnet sich die Schaffung einer „Grada joven“, einer „jungen Tribüne“ ab. Es wird von folgenden Eigenschaften dieser neuen Kurve ausgegangen. 

  • Vor der Sommerpause gibt es keine Vergrösserung des aktuellen Platzes von Ultras Sur (Kapazität von ca. 800 Personen).
  • In keinem Fall wird der von „el Cani“ oder „el Niño“ angeführte Teil von US reingelassen. 
  • Bis zur Sommerpause wird der Bereich von US wohl einerseits durch den „klassischen“ Teil der Ultra- Gruppe sowie neuen, jungen madridistas gefüllt (die ein entsprechendes Gesuch an RM einreichen können). Es werden nur Real Fans im Alter zwischen 16 und 35 und ohne Strafregistereintrag zugelassen werden. Das erste Spiel bei dem wir die „neue“ Kurve in Aktion sehen könnten, ist das RMCF – Celta Vigo vom 6. Januar.
  • Einen Namen für die Kurve gibt es offenbar noch nicht.
  • Für die nächste Saison wird die Kurve dann um 400 weitere Plätze erweitert. Das Ziel: Eine Fankurve von Cornerfahne zu Cornerfahne.
  • Wer in die Kurve will muss eine Mindestanzahl von Spielen vorweisen können.

Ob dies aber alles so eintrifft, ist abzuwarten. Viele Fragezeichen bestehen. Die Fan-Bewegung Reals ist im Umbruch. Was daraus gemacht wird, liegt auch an ihr. Es ist einfach zu hoffen, dass Real nicht lange vor Zehntausenden von piperos und Touristen und ohne seine treuen Anhänger des Fondo Surs spielen muss. Und das eines Tages Gegner wieder zittern, wenn sie das Santiago Bernabéu betreten. 

 SI QUIERES A TU EQUIPO, ANIMALO DE PIE! 




Dieser Artikel basiert in einem grossen Teil auf dem Artikel "El Fondo Sur de hoy y de mañana": http://www.fansdelmadrid.com/el-fondo-sur-de-hoy-y-de-manana/ 

Er wurde vom Autor verändert, angepasst und ergänzt. 


2 Kommentare:

  1. Die Ultras Sur müssen rein,man sollte denen den ganzen unteren Rang schenken ! Perez hasst die Ultras Sur,das finde ich elend :(

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    1. Hast du den artikel eig. gelesen oder bist du komplett behindert?!

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