Hallo Iker. Ich bin madridista und ich war mal dein grösster
Fan. Ja, du hast richtig gehört: War. Also nicht mehr. Leider. Aber lass mir
die Gelegenheit, dir die Gründe dafür zu sagen, bevor du dich von mir
abwendest. Denn ich weiss selbst, dass du mehr als genug Fans hast. Du musst
wissen, Iker: Für mich ist es schmerzhaft, diese Zeilen niederzuschreiben.
Also: Als sich mein anfängliches Interesse für RMCF in
richtigen madridismo (Bauchschmerzen vor Spielen, Freudensprünge bei Siegen und
Depressionen nach Niederlagen) umzuwandeln begann, hattest Du bereits in der
ersten Mannschaft debütiert. Ich werde nie vergessen wie du im Alter von nur 21
Jahren im Champions League Finale in Glasgow für den verletzten César reinkamst
und die riesengroße Verantwortung schulterteste. Deine Glanzparaden gegen die
verzweifelten Angriffe von Bayer Leverkusen gingen in die Geschichte ein, so
wie auch deine Tränen bei der Pokalübergabe. Ich wusste damals genau, dass du
ein ganz Grosser werden würdest und auf ewig in Madrid bleiben würdest.
Für mich warst du immer der Beste. Ich bewunderte Zidane,
vergötterte Raúl, aber mit niemandem konnte ich mich so gut identifizieren wir
mit dir: Auch ich war Torhüter, damals Feuer und Flamme für diesen Posten. Mit
viel Ehrgeiz trainierte ich mehrmals pro Woche, zum Geburtstag wünschte ich mir
dein Trikot. An den Spielen mit meiner Mannschaft wies ich das jeweils viel zu
grosse Goaliedress zurück, um deins anzuziehen, was häufig den Erfolgsdruck vergrösserte
(mit meist negativen Folgen), mich aber manchmal auch über mich hinauswachsen
liess. Vor jedem Match schaute ich auf Youtube Compilations von deinen besten
Paraden an. Damals hatte es gar nicht so viele, heute gibt es sicher hunderte
davon. Aber ehrlich gesagt, weiss ich es nicht, die Zeiten, bei denen ich alle
diese Videos von dir schaute, sind vorbei.
Meine Bewunderung für dich stieg auch mit deinen
Nationalmannschaftseinsätzen. Als wäre es gestern gewesen erinnere ich mich an
deine Paraden im Penaltyschiessen gegen Irland. Damals war die spanische Nati
erfolglos. Aber es war eine Selección, auf die man trotzdem stolz sein konnte
und bei der alle bei der Hymne in den Himmel blickten. Nach dem jeweiligen Ausscheiden Spaniens ging
ich trotzig mit deinem Dress in die Schule, wo ich auch immer allen sagte, du
seist viel besser als Buffon. Unvergessen sind deine Freudentränen nach dem
unglaublichen Ligagewinn unter Capello oder deine Scham nach dem Debakel in
Liverpool, bei dem du Schlimmeres verhindern konntest. Als ich dann damit
begann, regelmässig an RMCF-Auswärtsspiele zu reisen, war ich immer der
lauteste mit den „Iiiiiker, Iiiiiker“ Rufen nach deinen Paraden.
Heute bist du Captain Reals und der spanischen Nati. Du hast
alles Mögliche gewonnen, mit Madrid und auch mit Spanien. Du erhieltest auch
alle möglichen Preise. Iker, du bist madridista seit deiner Jugend, bist dem
Verein immer treu geblieben, hast Offerten aus dem Ausland ausgeschlagen. Bei
der letzten Meisterschaftsfeier sah man dich strahlen vor Freude und gegen
Bilbao sah ich mit eigenen Augen, wie zu zum hundertsten Mal dein Trikot in die
Menge warfst. Nein, ich habe kein Recht an deinem madridismo zweifeln, und das
werde ich niemals tun, versprochen. Und doch: Als ich in Manchester hinter dem
Tor stand und du am ein wärmen warst begannen einige treue Anhänger dir
lauthals einiges vorzuwerfen und die Kapitänsbinde für Ramos zu fordern. Und
ich musste ihnen Recht geben. Du bist Kapitän von Real Madrid. Als solcher ist
es deine Pflicht, deinen Klub immer zu verteidigen. Ihn zu verteidigen gegen
Anschuldigungen von culés („Die können nicht verlieren“, Xavi Hernández) wie es
Ramos macht. Gegen Angriffe von den Medien, wie es Arbeloa macht. Auf dem Feld
wie Pepe es tut. Du lächelst zusammen mit Xavi in die Kamera, nachdem du mit
ihm zusammen den Preis „Príncipe de Asturias“ gewinnst und hebst eure
Freundschaft hervor, aber reagierst nicht drauf, wenn der FC Barcelona zu
dieser Nachricht ein Foto publiziert, bei dem Xavi gegen dich ein Tor erzielt.
Du muss etwas begreifen: Als Kapitän kannst du es nicht allen Recht machen. Du
willst bei ganz Spanien gut dastehen. Das kannst du tun, wenn du im Dienste der
Nationalmannschaft stehst. Wenn du aber im Dienste RMCF’s stehst bist du nur
dem Klub verpflichtet. Nur den madridistas. Niemandem anders.
Iker, ich bewundere dich immer noch als Torhüter. Auch wenn
ich die Handschuhe an den Nagel gehängt habe und ich sie nur selten gebrauche.
Iker, ich bewundere dich auch immer noch als madridista, auch wenn ich nun
lieber ein „SERGIO RAMOS MARCA UN GOL“ anstimme als ein „IIIKER, IIIKER“. Die Zeiten meines Casillas-Fantismus sind
längst vorbei, vielleicht auch, weil ich mich verändert habe. Aber um uns madridistas wieder stolz auf unseren Kapitän zu
machen, ist es noch nicht zu spät. Dein betroffener Blick nach hinten in unsere
Richtung angesichts der Vorwürfe, die wir dir in Manchester machten, gibt Grund
zur Hoffnung. Aber wenn du nicht auf der Höhe bist der Kapitänsbinde, Iker,
dann gib sie einem Kameraden ab, dem sein Ruf bei antimadridistas egal ist.
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